Basisbehandlung des Multiplen Myeloms:

Jüngere Patienten:

Für jüngere Patienten, d.h. in Deutschland Patienten bis zum Alter von 70 Jahren, ist eine Hochdosistherapie (HDT) mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation derzeit die Therapie der Wahl. 

Die Induktionstherapie ist ein wichtiger Teil der Behandlung des Multiplen Myeloms und soll die Aktivität des Multiplen Myeloms reduzieren und ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Behandlung. Neuere Kombinationen umfassen in der Regel 4 Substanzen. Eine aktuelle Studie namens „CASSIOPEIA“, die zu einer Zulassung dieses Therapieschemas in Deutschland führte, hat gezeigt, dass eine Vierfachkombination von Medikamenten bestehend aus Daratumumab, Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (Dara-VTD) gegenüber einer Dreifachkombination mit VTD die Tiefe der Remission verbessert und das Fortschreiten der Erkrankung verzögert, während die Sicherheit der Therapie akzeptabel bleibt. Wenn Patienten bereits an einer Polyneuropathie (Nervenschädigung) leiden, oder ein sehr hohes Risiko haben eine Polyneuropathie zu entwickeln oder Sie einen Beruf ausüben, bei dem das Risiko einer Polyneuropathie stark minimiert werden soll (z.B. Klavierspieler), wird Ihr Arzt dafür sorgen, dass Sie die beste Therapie bekommen. Dies könnte zum Beispiel eine Therapie mit Lenalidomid (Dara-VRD) oder Cyclophosphamid (Dara-VCD) anstelle von Thalidomid sein. Gegenwärtig muss eine Kostenübernahme für die Therapie mit Dara-VRD bei der Krankenkasse beantragt werden. 

Das Ziel der Induktionstherapie ist ein gutes, möglichst sehr gutes partielles oder sogar komplettes Ansprechen bereits vor Stammzellmobilisierung, um dann bei Krankheitskontrolle die Stammzellsammlung und Stammzelltransplantation durchführen zu können. 

Bei Patienten, die nicht auf die Induktionstherapie ansprechen, ist es nicht sinnvoll eine andere Induktionstherapie durchzuführen. Man sollte dann rasch die Stammzellmobilisierung und Stammzelltransplantation anstreben. Dies gilt vor allem für Patienten, die ein begrenztes Ansprechen oder gar kein Ansprechen (aber eine stabile Erkrankung) auf die Induktionstherapie zeigen. Etwas problematischer ist die Situation bei Patienten, bei denen es während der Induktionstherapie zu einer Zunahme der Myelomaktivität kommt. Diese Patienten haben eine sehr ungünstige Prognose und sollten als Kandidaten für eine experimentelle Therapie oder auch eine Kombination aus autologer
Stammzell-Transplantation angesehen werden. Die Stammzellmobilisierung kann allein mit einem Wachstumsfaktor (eher selten) oder mit einer Chemotherapie plus Wachstumsfaktor erfolgen. Eine mögliche und häufig angewendete Mobilisierungstherapie. Eine Mobilisierungstherapie ist Cyclophosphamid + Doxorubicin + Dexamethason (CAD) mit anschließender Gabe des Wachstumsfaktors GCSF. Gegebenenfalls wird die Intensität der Stammzellmobilisierung um Plerixafor erweitert. Bei Patienten, bei denen eine ausreichende Zahl von Stammzellen gewonnen wurde, wird die autologe Stammzelltransplantation durchgeführt. Es wird angestrebt, ausreichend Zellen für drei Transplantationen zu sammeln, also mehr als 6x10 6 CD34-positive Zellen pro kg Körpergewicht. Patienten bis zu einem Alter von 65 Jahren werden mit einer vollen HDT (Konditionierung), d.h. mit 200mg Melphalan/qm, behandelt. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder anderen eingeschränkten Organfunktionen wird meist eine Melphalan-Dosis von 140mg/qm gewählt. Dies hat sich in einer großen Studie bei älteren Patienten als effektiv und gut verträglich erwiesen. Es gibt mittlerweile sehr effektive Therapieoptionen für das Multiple Myelom, die aus der Kombination von drei oder vier verschiedenen Medikamenten bestehen. Derzeit wird daher über den Stellenwert der Hochdosistherapie (HDT) für ältere Patienten diskutiert. Dies liegt insbesondere an den aktuellen Ergebnissen zur Wirksamkeit und zur Dauer, in der die Krankheit nicht weiter fortschreitet (progressionsfreies Überleben, PFS), der MAIA- Studie, die auch ältere Patienten einbezieht. Diese Studie konnte zeigen, dass ältere Patienten über 65 Jahre von einer Dreifachtherapie mit Dara-RD profitieren, da sie sehr wirksam ist und zu einem langen progressionsfreien Überleben (PFS 44,5 Monate) führt. 

Prinzipiell wird die autologe Stammzelltransplantation wiederholt bei Patienten, die kein komplettes Ansprechen nach der ersten Transplantation erreicht haben. Auch bei Patienten, die ungünstige Risikofaktoren aufweisen, wird die Hochdosistherapie und autologe Stammzelltransplantation wiederholt, da internationale Daten gerade bei dieser Patientengruppe den Vorteil der Doppeltransplantation gezeigt haben.

Die Konsolidierungstherapie mit einer Vierfachkombination (meist Dara-VTD) ist ein möglicher Schritt nach einer autologen Stammzelltransplantation bei der Behandlung des Multiplen Myeloms. Diese Therapie hilft dabei, das Myelom weiter unter Kontrolle zu halten und das Risiko eines Rückfalls zu verringern. Meist wird die Konsolidierungstherapie für 2 Zyklen durchgeführt.

Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid ist ein weiterer Bestandteil der Behandlung des Multiplen Myeloms, die auf die Konsolidierungstherapie folgt. Sie hilft dabei, das Multiple Myelom unter Kontrolle zu halten und das Risiko eines Rückfalls zu verringern. Diese Therapie kann über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Krankheit unter Kontrolle bleibt. 

Für Hochrisikopatienten (Deletion 17p, extramedullärer Befall, Plasmazell-Leukämie, erhöhte Serum-LDH) kann eine allogene Stammzelltransplantation diskutiert werden. Einige Studien haben gezeigt, dass die allogene Stammzelltransplantation in diesem Zusammenhang eine Behandlungsmöglichkeit darstellen kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die allogene Stammzelltransplantation eine komplexe und potentiell riskante Behandlung ist und dass jeder Patient individuell betrachtet werden muss, um die besten Behandlungsmöglichkeiten zu bestimmen. Es ist daher wichtig, dass Hochrisikopatienten in enger Zusammenarbeit mit ihren behandelnden Ärzten und Spezialisten entscheiden, ob eine allogene Stammzelltransplantation für sie eine Option darstellt.

 

Ältere Patienten:

Für ältere, nicht für eine Transplantation geeignete Patienten gibt es derzeit mehrere Therapieoptionen. Aktuell wird eine Therapie mit Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason (Dara-Rd) am häufigsten empfohlen. Die MAIA-Studie, die zur Zulassung dieses Therapieschemas führte, untersuchte die Behandlung von älteren Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom, die für eine autologe Stammzelltransplantation nicht geeignet waren. Die Ergebnisse zeigten, dass bei Patienten, die Daratumumab zusammen mit Lenalidomid und Dexamethason (Dara-Rd) erhielten, das Risiko einer Krankheitsprogression oder eines Todes deutlich geringer war als bei Patienten, die nur mit Lenalidomid und Dexamethason (Rd) behandelt wurden. Die Dara-Rd Kombination ist sehr gut verträglich, es wurde beobachtet, dass bei Patienten, die Daratumumab erhielten, eine höhere Häufigkeit von Neutropenie und Pneumonie auftrat. Die Auswahl und Dosierung der Therapie sollten individuell erfolgen.

Behandlung im Rückfall

Jüngere Patienten und ältere Patienten


Im Rückfall der Erkrankung steht eine Fülle von neuen Substanzen und neuen Kombinationstherapien zur Verfügung. Prinzipiell können bei guter Wirksamkeit und Verträglichkeit (insofern keine Refraktärität auf die entsprechende Substanz vorliegt) auch Medikamente aus der Primärtherapie eingesetzt werden. In den meisten Situationen und insbesondere, wenn eine Refraktärität auf die Präparate der Induktionstherapie vorliegt, werden entweder andere Substanzklassen oder Weiterentwicklungen aus der gleichen Substanzklasse eingesetzt. Beispiele für eine Weiterentwicklungen innerhalb einer Substanzklasse sind Carfilzomib als Nachfolger von Bortezomib oder Pomalidomid als Nachfolger von Lenalidomid.


Für die Therapieentscheidung im Rückfall sind folgende Faktoren wichtig:

  • Schleichend oder schnell fortschreitender Rückfall
  • Nebenwirkungen und Effektivität der vorangegangenen Behandlung
  • Biologischer Zustand des Patienten
  • Begleiterkrankungen

Bei der Rückfalldiagnose unterscheidet man einen laborchemischen Rückfall (Anstieg des monoklonalen Proteins im Serum oder der Leichtkettenwerte im Serum und/oder Urin). Beim Nachweis eines laborchemischen Rückfalls sollte nicht auf das Wiederauftreten der CRAB-Kriterien gewartet werden [zu den CRAB-Kriterien siehe Kapitel „Wann behandeln?“]. Andererseits sind die Nebenwirkungen einer Therapie bei einem Patienten ohne Symptome und Beschwerden zu beachten. Für die Rückfalltherapie sind in Deutschland viele Medikamente und Kombinationen aus Medikamenten sowie eine Rezidiv- Hochdosischemotherapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation zugelassen. Über die Auswahl der Therapie sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Die Therapiemöglichkeiten ändern sich jährlich. Es sollte eine Teilnahme an Therapiestudien geprüft werden.

Autor: Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Würzburg, 2023 aktualisiert von Prof. Goldschmidt und Frau Dr. Sester, Heidelberg

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